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AutorenbildMartina De Rosi

Über Clans und die Liebe, das Loslassen, das Empfangen und das Geben

Oder „Ich hab geheiratet!“



In den letzten Wochen ist es etwas ruhig geworden um mich, zumindest hier auf den digitalen Plattformen. Ich habe es mir erlaubt privat zu sein und in mein Leben voll und ganz einzutauchen.


Die letzten Wochen waren bunt und aufregend, eine ganze Palette an möglichen Emotionen habe ich durchlebt und ich habe schon wieder so unglaublich viel gelernt. Über mich selbst, über das Leben und die Liebe.


Mal sehen, ob es mir gelingt zu teilen, was ich erlebt habe ohne zu viele private Details preiszugeben. Nicht so sehr wegen mir, ich liebe es zu zeigen, was in mir vorgeht, aber in diesem Fall bin ich nicht alleine und ich möchte respektvoll umgehen mit dem Privatleben anderer Menschen.


Da sind wir schon beim ersten großen kulturellen Unterschied. In meinem Umfeld übe ich immer mehr in die offene Herzenskommunikation zu gehen, zu teilen, was mich gerade bewegt, auch wenn es schwierige Gefühle sind, die in mir arbeiten. Das macht „man“ hier nicht so auf die gleiche Weise. Was dich berührt und bewegt bleibt bei dir und wird höchstens mit den engsten Familienmitgliedern in den eigenen vier Wänden besprochen. So kann für mich manchmal der Eindruck entstehen, die Menschen wollen sich mir nicht öffnen, teilen nur das Offensichtliche, das Oberflächliche. Es braucht Geduld und Einfühlungsvermögen, um die Beweggründe dafür zu verstehen.


Nun bin ich dieses Jahr aus meinem europäischen Kulturkreis hier in Niafrang ziemlich alleine, die meisten anderen Europäer sind dieses Jahr Corona-bedingt zu Hause geblieben. So sind meine liebgewonnenen Austauschpartner aus meinem Kulturkreis nicht da. An manchen Tagen hat mich das emotional stark geschleudert, ich habe mich alleine gefühlt in einer Welt, die ich nicht verstehe. Das hat mich verunsichert, hat mich zweifeln lassen, hat dunkle Gefühle mitgebracht.


Dazu kommt, dass auch das Verständnis von Beziehung und Liebe in den verschiedenen Kulturen nicht immer ganz im Einklang sind. John und ich haben viele Gespräche geführt, diskutiert, manchmal verständnisvoll miteinander, manchmal in Wut und dem Gefühl von Macht- und Sinnlosigkeit. Die Wünsche und Vorstellungen, die wir mitgebracht haben, sind teilweise ziemlich aneinander gekracht und haben sich gerieben, manchmal fast bis zum Aufreiben und Aufgeben.


Aber irgendwas hat uns immer wieder zusammengebracht. Immer wieder sind wir nach den Gesprächen wieder näher aneinandergerückt, mit ein bisschen mehr Verständnis für den anderen, mit ein bisschen mehr Willen, etwas von den eigenen Vorstellungen loszulassen, es zuzulassen, dass vielleicht auch andere Modelle Glück bringen können. Immer mehr mit der Überzeugung, wir möchten gemeinsam einen Weg finden unsere Beziehung langfristig wachsen zu lassen, mit der Überzeugung, dass wir nicht weglaufen wollen, auch wenn es manchmal grenzwertig schwierig wird.


Etwas, das ich in dieser für mich sehr fordernden Zeit entdeckt habe, ist die Kraft meiner Freundschaften, meiner Familie, meines erweiterten Clans zu Hause. Hier in Afrika denken die Menschen noch viel mehr in erweiterten Familiennetzwerken als bei uns, Brüder und Schwestern haben nicht unbedingt dieselben Eltern, irgendwie sind alle innerhalb eines Kulturkreises miteinander gefühlt familiär verbunden. Und auch wenn es auch haarsträubende Familiengeschichten gibt, ist große Solidarität und Verbindung spürbar.


In den Momenten meiner gefühlten Einsamkeit, die diesen starken Familiennetzwerken gegenüberstand, habe ich gespürt, ich habe Sehnsucht nach meinen Herzensmenschen. Ich habe es ihnen gesagt, ich habe mich geöffnet, ich habe ihnen erzählt, wie es mir geht und, dass ich sie brauche.


Was ich bekommen habe dafür, ist eine riesengroße Welle an Unterstützung, Wohlwollen und Ermutigung. Ich habe entdeckt, wie viele Menschen mit mir mitfiebern, mitschwingen, mitfühlen. Ich habe entdeckt, wie viele Menschen darauf Lust haben, gewohnte und vielleicht zum Teil eingrenzende Vorstellungen und Gedankenmodelle zu hinterfragen, ihre Geschichten und Erfahrungen zu teilen und neue Möglichkeiten und Wahrheiten zu entdecken.


Ich bin getragen worden hin zu dem Tag, an dem John und ich auch offiziell zueinander JA gesagt haben. Mit einem nicht ganz einfachen Lebensmodell, aber mit einem tiefen, tiefen Gefühl der Verbundenheit, der Zuversicht, der Zufriedenheit.


Ich habe geheiratet, aber bekommen habe ich auch die Bestätigung, mein Familien- und Freundeskreis ist mindestens so kraft- und liebevoll wie ein erweiterter Familienclan hier. Ich habe Vorstellungen losgelassen und habe dafür Raum bekommen, der jetzt gerade mit Liebe gefüllt ist. Ich habe Platz in meinem Herzen geschaffen für neue Vorstellungen, für neue Möglichkeiten und es fühlt sich gut an.


Ich bin randvoll mit Dankbarkeit dem Leben gegenüber. Ich freue mich aus dieser Fülle zu schöpfen und für Menschen in meinem Umfeld eine ähnlich bestärkende Kraft zu sein, wie ich es in den letzten Wochen und Monaten so stark erleben durfte. Ich hoffe ich darf hinausstrahlen in die Welt, ich hoffe ich darf teilen und geben und dieses Feld der Freude und Liebe noch größer werden lassen.


Die schwierigen Momente werden auch wiederkommen, keine Frage. Es geht nicht immer nur um die Frage, was uns glücklich macht, glaube ich, sondern auch darum, was uns wachsen lässt. Manchmal fühlt es sich in diesen Wachstumszonen auch fruchtbar einsam an, es sind unsere Lebensaufgaben und Themen, nicht die der anderen. Herausforderungen sind Teil unseres Lebensweges und wenn wir wählen durch den Schmerz zu gehen, dürfen wir manchmal erleben, wie sich Glücksmomente dort einstellen, wo wir es nie für möglich gehalten haben. Das ist zumindest meine Erfahrung der letzten Monate. Sie machen uns lebendig und stark. Ich ganz persönlich lebe jetzt auch noch mit einer weiteren Gewissheit, noch stärker als vorher: Ich bin nicht alleine. Niemals.


Schau dich um, zeige dich mit deinem ganzen Herzen, deinen Sehnsüchten und Ängsten und staune darüber, welche Resonanz zu dir zurückschwingt. Trau dich!



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