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AutorenbildMartina De Rosi

Macht, Ohnmacht und Ermächtigung

Oder was zum Teufel ist mit uns Menschen los?



Eigentlich wollte ich heute über etwas ganz anderes schreiben, aber das muss warten. Eine Welle hat mich gerade überrollt und ich möchte ihr Ausdruck verleihen. Ich habe über den Tod von Agitu Ideo gelesen und eine Mischung an Emotionen steigt in mir auf – Ungläubigkeit, Schmerz, Wut. Es katapultiert mich unverzüglich in die dunkelsten Ecken unseres Mensch-Seins. Wer macht so was?


Agitu hat für mich etwas Großes verkörpert. Sie hat sich als afrikanische Frau im Trentino etwas aufgebaut. Mutig, beständig, still und leise auf ihre Weise. Und hat damit bewiesen. Das geht. Als Frau und als Afrikanerin ist es möglich sich ein nachhaltiges, funktionierendes Unternehmen aufzubauen, auch in diesen komplizierten Zeiten. Auch mit einem ganz anderen kulturellen Hintergrund. Auch in einer Männerwelt. Ich kannte Agitu nicht persönlich, aber ihre Geschichte hat mich erreicht, inspiriert, ermutigt.

Offensichtlich hat sie aber auch Menschen berührt, die nicht die Schönheit und die Kraft in ihrer Geschichte spüren und sich darüber freuen, sondern sich durch sie bedroht fühlen. Irgendjemand muss so tief verletzt, verwirrt und verzweifelt sein, dass ihre Kraft das Gefühl von unterlegener Machtlosigkeit vermittelt und zu Aggression führt. Ich bemächtige mich deines Körpers mit reiner Muskelkraft, ich verletze dich und nehme dir das Leben. So kann ich mich wieder mächtig und stark fühlen. Wirklich?


Die Agitus dieser Welt können so nicht aufgehalten und ausgelöscht werden. Diese weibliche Schöpfer- und Schaffenskraft wirkt durch sie. Agitu war ein wunderbarer Ausdruck dieser Kraft und sie wird weiterwachsen. Jetzt erst recht. Ich spüre die Kraft in mir und auch, wenn du meinen Körper verletzt oder ihn sogar tötest, diese Kraft kannst du nicht auslöschen. Niemals. Sie ist reine Lebenskraft, die immer wieder einen Weg findet, sie wird immer wieder Ausdruck finden.

Daher ist es besser, wenn wir die männliche, verunsicherte, sich so machtlos fühlende Energie in uns heilen lassen. Wir Menschen brauchen wirklich Hilfe mit dem Thema Macht. Warum müssen wir uns dauernd, und da nehme ich mich selbst nicht aus, beweisen, uns irgendetwas bemächtigen, anderen etwas absprechen, um uns nicht klein zu fühlen? Warum können wir uns nicht stattdessen gegenseitig ermächtigen und uns an Erfolgen und gemeinsamem Wachstum erfreuen? Warum sind wir füreinander so bedrohlich?


Ich merke das im Moment auch ganz klar in meiner Beziehung. Ich bin mit einem Mann mit einem starken Charakter zusammen, aus einer traditionell patriarchalischen Gesellschaft, in der es noch anders anerkannt ist, als bei uns, dass der Mann die Machtposition in der Familie innehat. Es ist ganz klar, dass seine Bedürfnisse im Vordergrund stehen, dass er besitzt, er entscheidet, er vorgibt, welche Werte in seiner Familie gelebt werden.


Nun trifft er ausgerechnet auf mich, weiße Europäerin mit unter anderen skandinavischen Wurzeln und einem stark ausgeprägten Sinn für Unabhängigkeit und Freiheit. In Konfrontation mit seiner so stark ausgeprägten, selbstverständlich ausgelebten männlichen Dominanz, passiert es mir auch, dass ich in ein starkes Gefühl der Machtlosigkeit abrutsche, das auch in mir Aggression und Wut auslöst.


Nun bin ich zum Glück aber so bewusst, dass ich in meiner Aggression nicht gewalttätig werden muss, sondern maximal verbal und mit meiner Lautstärke meinem Ohnmachtsgefühl Ausdruck verleihe. Ich habe auch das Glück, dass mein Partner trotz seiner Überzeugungen, versteht, dass ich aus einer anderen Kultur und einem anderen Kontext komme, und er es auch gut aushält, wenn ich ihn hie und da aus meiner Frustration heraus anbrülle. Und er ist auch bereit, sich mit mir zusammen diese Themen anzuschauen.


Wenn ich das merke, wenn ich gesehen werde, wenn ich meiner Ohnmacht Worte geben darf, wenn ich spüre, mein Gegenüber will mich nicht mutwillig unterdrücken, dann kann ich mich ein wenig entspannen und mir anschauen, was ich brauche, damit ich aus der gefühlten Ohnmacht aussteigen und wieder in meiner eigenen, freien, kreativen Kraft ankommen kann. Dadurch verpufft die Wut, die Aggression und dieses animalische Gefühl in einer Falle zu sitzen.


Offensichtlich haben Täter von Gewalttaten diese Ventile nicht erlebt, sie haben nicht gelernt ihren Gefühlen auf eine gesunde Art und Weise Ausdruck zu geben, sie zu entladen ohne anderen Menschen Schaden zuzufügen. Vielleicht haben sie auch selbst Gewalt erlebt und wissen gar nicht, dass es auch andere Wege gibt um mit bedrohlichen Gefühlen umzugehen.

Ich wünsche uns Menschen Heilung dieser Wunden. Ich wünsche allen Menschen, erleben zu dürfen, dass wir nicht in gewaltvollen Ohnmachtsgefühlen stecken bleiben müssen, sondern, dass wir uns ohne Angst gegenseitig dazu ermächtigen dürfen in unserer Größe und Kraft anzukommen.


Liebe Agitu, danke für dein Beispiel, danke für deinen Mut und deine schöpferische Schaffenskraft. Ich trage dich im Herzen und weiß, dein Feld kann nicht sterben.

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