Oder: Wie solls weitergehen mit uns und unserem Planeten?
Ich darf gerade einen Prozess miterleben, zu dem die Pioneers of Change eingeladen haben. The Week ist ein Format, das von dem Ehepaar Frederic Laloux und Helen Gerin ins Leben gerufen wurde und inzwischen in verschiedensten Kontexten und Settings in Gruppen durchlebt werden kann. Frederic Laloux ist als Unternehmensberater und als Autor des Buches „Reinventing Organisations“ bekannt.
Die Idee ist es, in kleinen Gruppen gemeinsam über drei Treffen im Laufe einer Woche (daher der Name The Week) drei ca. einstündige Filme zum Thema Klimawandel und die mögliche Entwicklung unseres Planeten und unser aller Leben anzuschauen und dann in den Austausch darüber zu gehen. Dabei geht es nicht so sehr um die Fakten, sondern mehr darum, was es mit uns macht, wenn wir uns mit der Möglichkeit verbinden, dass unser Planet in den nächsten Jahren für uns nicht mehr gesunder Lebensraum sein kann. Wenn wir uns anschauen, wie es 2050 aussehen könnte und wir uns vorstellen, wie alt wir, unsere Kinder und Kindeskinder sein werden und, was das für unser und ihr Leben bedeuten könnte, kann das ziemlich erschreckend sein.
Nun geht es nicht darum Weltuntergangsstimmung zu erzeugen, sondern Menschen die Möglichkeit zu geben wirklich hinzuspüren. Welche Gedanken und Gefühle tauchen auf? Will ich gar nicht hören und sehen, was sein kann? Will ich meinen Kopf in den Sand stecken und so tun als wäre alles in bester Ordnung? Oder flüchte ich mich in meine Trägheit und entschuldige meine Inaktivität damit, dass ich mir einrede, ich kann eh nichts bewirken oder ändern? Lösen die Bilder Panik in mir aus und lassen einen blinden Aktionismus entstehen und mich wütend darauf reagieren, wenn nicht alle anderen auch so wie ich lospreschen? Oder lenke ich mich einfach ab, hole mir was zu Essen und dröhne mich zu mit Reizen, die mich nicht ins Spüren gehen lassen?
Ich habe eine Mischung aus all diesen Strategien in mir erlebt. Wenn ich mir aber die Zeit und den Raum nehme genauer hinzuspüren, dann begegne ich auch echter Berührtheit, kann Bedauern und Schmerz spüren. Es macht mich traurig zu denken, dass all die lebendige Schönheit, die ich heute noch um mich herum sehen und erleben darf, eines Tages vielleicht nicht mehr überleben kann und für die nächsten Generationen Leben nicht mehr so möglich sein wird, wie wir es noch genießen können.
The Week ist so gedacht, dass wir diesen Gefühlen begegnen dürfen. Deshalb wird auch empfohlen das Programm nicht alleine zu machen, sondern in wohlwollenden Kleingruppen zusammen mit anderen Menschen, die es aushalten, dass alle möglichen Dinge an die Oberfläche kommen können. Ohne Bewertung, ohne Verurteilung. Das entspricht nach der U-Theorie von Otto Scharmer dem Tiefpunkt in der Kurve vom U. Es ist wie ein Abstieg, ein Ankommen auf dem Grund der Dinge, ein ehrliches Hinschauen, ein Sich-Stellen – mit all dem Unangenehmen, das sich da zeigen möchte.
Ich kenne das auch von der Arbeit der Tiefenökologin Joanna Macy in The Work that Reconnects, wo es auch darum geht, zunächst in aller Schonungslosigkeit mit den schmerzhaften Möglichkeiten in Kontakt zu kommen, die Gefühle von Trauer, Schmerz, Angst, Wut zu durchleben, Zustände von Resignation, Verzweiflung und Depression auszuhalten.
Erst aus der Tiefe der U-Kurve, kann dann etwas entstehen, das nicht nur wieder eine alte Ablenkungsstrategie ist oder noch mehr vom Gleichen produziert, sondern wirklich ein neues Verständnis ist, neue Perspektiven und Verbindungen wachsen lässt, einer Regung von Hoffnung, Liebe und neuer Lebenslust Raum gibt. Aus diesem verletzlichen, zarten Zustand heraus, kann sich eine neue Kraft entfalten, aus der heraus wir klarer sehen können, was unser Beitrag im Dienste der Lebendigkeit sein kann. Wie möchtest du deine verbleibende Lebenszeit investieren, worauf möchtest du deine Aufmerksamkeit lenken, was ist dir wirklich, wirklich wichtig in der Verbindung mit der Kostbarkeit des Lebens und unseres Lebensraumes?
Ich sitze hier und schaue auf mein bisheriges Leben. Es ist wohl eine durchwachsene Mischung von unbewusstem Dahinleben, weil es eben alle so machen und so manchen Momenten, in denen ich Unstimmigkeiten sehr stark spüre und den Wunsch habe, so Vieles zu verändern – in mir, im Bewusstsein unserer Gesellschaft, in der ganzen Welt. Es gibt Momente, in denen mich das Leben sehr klar in Verbindung bringt mit dem Wunsch etwas Lebensbejahendes beizutragen, meine Kraft für die Schönheit unserer Erde und unserer Lebensräume einzusetzen. Ich wünsche mir gesunde Natur, gesunde Beziehungen und gesunde Menschen.
Und dann werde ich wieder von persönlichen Geschichten und Gefühlen davon getragen, bin komplett abgeschnitten von den größeren Zusammenhängen, verkrieche mich in meiner ganz individuellen Höhle und schaffe es nicht mich gut um mich selbst zu kümmern, geschweige denn um die restliche Welt.
Ich habe noch keine Antworten, die sich wirklich als Lösung anfühlen. Vielleicht ist das auch individuell gar nicht möglich. Wir haben keine Kontrolle über die große Lebenskraft, die so viel größer ist, als das, was wir mit unserem analytischen Verstand begreifen können. Wir brauchen viel Urvertrauen, Hingabe, Hoffnung und immer wieder die Verbindung zu und über unsere Herzen. Vielleicht ist das die große Kunst, die wir üben dürfen in dieser Zeit.
Jane Godall sagt in ihrem Buch der Hoffnung, dass die Hoffnung eine vernünftige Kraft ist, dass Hoffnung eine Kraft der Aktion ist. Hoffnung bringt uns vom Herzen heraus ins Handeln.
Was gibt dir Hoffnung?
Alles Liebe, Martina
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