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Machst du Entwicklungsarbeit?

Aktualisiert: 2. Dez. 2020

Gestern bin ich gefragt worden, ob ich in Afrika denn auch Entwicklungsprojekte machen würde. Wir waren auf dem Weg nach Hause von der Vollversammlung einer Hilfsorganisation, die in Asien tätig ist, und mein erster Gedanke war, ich mag eigentlich das Verständnis von Entwicklungsarbeit, wie es häufig bei uns verstanden wird, nicht so wirklich.





Da geht es oft um dieses klischeehafte Bild von Menschen aus der westlichen Wohlstandsgesellschaft, die akademische Ausbildungen genossen haben und für sich beanspruchen zu wissen, wie der Hase in diesem Leben auf diesem Planeten läuft. Da schließe ich mich selbst absolut auch ein. In dieser Welt bin auch ich groß geworden und ich habe akademische Ausbildungen genossen, die meinen Geist in einer gewissen Weise geprägt und geschult haben.


Aber befähigt mich das irgendetwas in einem anderen Teil der Welt entwickeln zu wollen? Oder zu wissen, was für Menschen in anderen Ländern und Kontinenten gut ist? Oder wenn wir es ganz streng nehmen wollen, bin ich dazu befähigt zu wissen, was überhaupt für jemanden anderen gut und richtig ist? Manchmal weiß ich es ja nicht mal für mich selbst.

Aus diesem Blickwinkel ist es für mich äußerst arrogant zu behaupten ich mache Entwicklungsprojekte in Afrika. Ich würde es ganz anders beschreiben, was ich hier und dort mache. Ich betrachte inzwischen jeden Tag als ein Geschenk um zu forschen. Das Leben in seinen buntesten Formen und Farben zu erforschen. Ich bin unheimlich dankbar, dass die Welt, in der ich aufgewachsen bin, mir diese Freiheit erlaubt. Ich durfte reisen, ich durfte lernen, ich durfte Menschen in der ganzen Welt kennen und schätzen lernen. Was ich aber erst in den letzten Jahren noch viel mehr entdecke, ist das Spüren. Ich erlaube mir meine Tage immer mehr zu erspüren. Wahrscheinlich prägen mich die letzten Jahre in intensivem Kontakt mit Yoga, mit dem Ansatz von Shiatsu, mit dem Eintauchen in Themen wie Gemeinschaftsbildung, Kreiskultur, Gefühlsarbeit und Tiefenökologie.


Ich fühle mich als ein klitzekleiner, aber doch wichtiger Teil, in einem großen, wunderbaren Ganzen. Ich habe das Glück, dass mich mein Weg in die Welt hinausgebracht hat. Ich habe das Glück, dass ich in Afrika Länder und Menschen angetroffen habe, die mein Herz so stark berührt haben, dass ich immer wieder zurück möchte. Ich habe das Glück, dass ich Organisationen begegnet bin, die mir immer wieder dabei helfen, das was ich erlebe in einem größeren Kontext einzuordnen und mir immer wieder bewusst machen, was ist es, was mich motiviert, zu tun, was ich tue. Worum geht es, wenn ich nach Gambia reise um einen Monat lang an einem Kurs für Ecovillage Design mitzumachen und lokale Projekte kennen zu lernen? Worum geht es, wenn ich mit europäischen Kolleginnen aus meinem Gaia Education Online Kurs zum Thema „Design for Sustainability“ an einem Projekt in Afrika arbeite und wir uns dann in Gambia mit den Menschen aus dem traditionellen Dorf Sobata in Guinea treffen? Worum geht es, wenn ich mich solidarisch mit meinen Freund*innen in Niafrang in Südsenegal fühle, wenn sie gegen Zirkon-Minenprojekte in ihren Dünen protestieren und Baumpflanzaktionen starten? Oder wenn ich dort ein Stück Land kaufe mit dem Wunsch gemeinsam mit anderen Permakultur zu üben und einen Austausch- und Lernort zu schaffen. Manchmal ist es schwierig in Worte zu fassen, was mich bewegt, was mich dazu bringt so einzutauchen.


Sind das Entwicklungsprojekte? Ja sicher. Entwicklungsprojekte für mich. Ich entwickle mich jeden Tag neu im Kontakt mit wunderbaren Menschen an verschiedenen Orten dieses wunderbaren Planeten. Ich darf Menschen und Kulturen kennen lernen, die auf den ersten Blick ganz anders ticken als ich, die mein Weltbild, meine Glaubenssätze, meine Gewohnheiten komplett auf den Kopf stellen und mich manchmal auch an meine äußersten Grenzen bringen. Aber mich dann auch erleben lassen, wie unter all diesen Schichten unserer verschiedenen Kulturen und Weltbildern zum Vorschein kommt, wie verbunden wir sind, wie wir Menschen uns doch eigentlich alle ähnlich sind und dasselbe wünschen und es gar keine Grenzen zwischen uns gibt. Ich erlebe wie neugierig wir aufeinander sein können, wie wohlwollend wir uns gegenseitig betrachten können und wie unglaublich viel wir voneinander lernen können. Wir können gemeinsam wachsen. Wir sind Lehrmeister*innen für einander. Dafür bin ich jeden Tag wieder so unendlich dankbar. Ganz egal, wo auf dem Planeten, der für uns alle unser zu Hause ist, ich gerade bin.


In diesem Sinne bin ich überzeugte Entwicklungsarbeiterin.

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